Die praktische Opferrolle

Von Barbara Gutzwiller, Direktorin Arbeitgeberverband, Basel

Wie kürzlich in den Medien zu lesen war, hat die renommierte Universität Oxford versucht, unliebsame Prüfungsergebnisse zu beeinflussen. Sie tat das, indem sie im Sommer 2017 bei Mathematik- und Informatikprüfungen die Prüfungszeit von 90 Minuten um 15 Minuten erhöhte. Alle anderen Parameter der Examen, wie Länge oder Schwierigkeit der Fragen, blieben unverändert. Der Prüfungsausschuss der Universität hatte diese Massnahme befürwortet, nachdem im Vorjahr 45 Männer aber nur sieben Frauen ihre Prüfungen mit Bestnoten bestanden hatten. Alleiniges Ziel der verlängerten Prüfungszeit war es, die Punktezahl der Frauen zu verbessern. Frauen seien nämlich durch den Zeitdruck stärker beeinflusst, weil sie ihre Antworten mehrmals überprüfen würden und deshalb weniger rasch antworten könnten. Trotz längerer Prüfungszeit stiegen die Noten der Frauen zwar marginal; die meisten Spitzenergebnisse wurden aber nach wie vor von Männern erzielt. Das Ergebnis der Massnahme lasse sich noch nicht eindeutig interpretieren, sagt die Universität Oxford dazu.

Zumindest eines lässt sich aber schon heute sagen: Mögen die Versuche, Unterschiede zwischen den Geschlechtern zu eliminieren, noch so ausgeklügelt sein, so belegen sie letztlich nur, dass eben Unterschiede vorhanden sind. Es stellt sich mir sowieso die Frage, weshalb gemäss Gender-Politik keine Unterschiede bestehen sollen. Klar ist, weder Männer noch Frauen dürfen diskriminiert werden.

Aber anstatt selbstbewusst die Stärken der Frauen ins Zentrum zu rücken, werden lieber deren weniger ausgeprägte Eigenschaften betont und zum Ergebnis von Diskriminierung erklärt. Dass Frauen häufiger als Männer eine berufliche Tätigkeit im sozialen Sektor wählen, ist beispielsweise nicht auf ihre Neigung und freie Wahl zurückzuführen, sondern liegt an diffusen Machenschaften einer feindlichen Männerwelt. Und dass sich nach wie vor mehr junge Männer für Mathematik, Informatik, Naturwissenschaften und Technik interessieren, ist nicht auf deren eigenen Entscheid oder gar nachvollziehbare biologische Gründe zurückzuführen, sondern liegt nur daran, dass junge Frauen nicht entsprechend gefördert werden.

 

Nur wenn es den Frauen hilft

 

Mit derselben Logik wird beharrlich die Einführung einer Frauenquote gefordert. So sollen mehr Frauen an die Spitze von Unternehmen gelangen – angeblich weil ihnen die Männer den Aufstieg noch immer stur verwehren. Fakt ist aber, dass sich offenbar nach wie vor nicht genügend Frauen freiwillig dazu entschliessen, ihre berufliche Karriere ins Zentrum ihres Lebens zu stellen. Negative Erfahrungen, beispielsweise aus Norwegen, das bereits eine Frauenquote eingeführt hat, werden schlicht nicht zur Kenntnis genommen. Dass mit der Quote weder den Frauen selber noch den entsprechenden Unternehmen gedient ist, spielt auch keine Rolle.

Als besonders störend aber empfinde ich die Tatsache, dass der Diskriminierungsaspekt immer nur dann zur Diskussion steht, wenn es den Frauen hilft. Ich habe hingegen bisher noch keine Genderpolitikerin erlebt, die sich für das Rentenalter 65 für Frauen und Männer, für die Abschaffung der Witwenrente oder den obligatorischen Militärdienst für Frauen eingesetzt hätte. Opfer zu sein, hat eben auch seine guten Seiten.